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.Was meine Schwester anbetraf, sowar sie in diesem Jahr glücklich; siebereitete sich mit Glanz auf ihr Abit-urium vor: Im Cours Désir war man855/1746zufrieden mit ihr.Sie hatte eine neueFreundin, die sie sehr liebte; dann undwann machte sie sich Sorgen um mich,und ich vermutete, dass auch sie in na-her Zukunft eine friedliche kleineBourgeoise werden würde.«Für Pou-pette wird sich ein Mann findenlassen», äußerten meine Eltern ver-trauensvoll.Ich war noch gern mit ihrzusammen, aber auf alle Fälle war sieeben doch nur ein Kind: Ich sprachüber nichts mit ihr.Jemand hätte mir helfen können:Jacques.Ich verleugnete die Tränen,die ich eines Nachts allzu eilig ver-gossen hatte; nein, ich liebte ihn nicht.856/1746Wenn ich liebte, so doch nicht ihn.Aber mir hätte sehr viel an seiner Fre-undschaft gelegen.Eines Abends, alsich bei seinen Eltern zum Essen einge-laden war, verweilten wir uns, alsschon zu Tisch gegangen wurde, einenAugenblick im Salon bei einem Ge-spräch über nichtige Dinge.MeineMutter rief mich mit strenger Stimmezur Ordnung.«Entschuldige», sagteJacques mit einem unmerklichenLächeln, «wir sprachen gerade überLa Musique intérieure von CharlesMaurras & » Ich löffelte traurig meineSuppe.Wie sollte ich ihm begreiflichmachen, dass ich längst nicht mehr die857/1746Dinge ins Lächerliche zog, die ichnicht verstand? Hätte er mir die Gedi-chte, die Bücher, die er liebte, erklärt,hätte ich ihm gelauscht.9 Wir sprachenvon La Musique intérieure & : Oftwiederholte ich mir diesen Satz undgenoss seine Bitterkeit, in der mirdoch etwas wie Hoffnung mitzuschwin-gen schien.Im Herbst bestand ich glänzendmeine Literaturprüfung.Garricbeglückwünschte mich.MademoiselleLambert ließ mich in ihr Büro kom-men, nahm mich abwägend unter dieLupe und stellte mir eine glänzendeZukunft in Aussicht.Einige Tage858/1746darauf aß Jacques bei uns zu Abend:Vor seinem Aufbruch nahm er michauf die Seite: «Ich habe vorgesternGarric gesehen, wir sprachen viel vondir.» In lebhaft interessiertem Tonfragte er mich nach meinen Studienund nach meinen Plänen.«Morgenmachen wir eine Autofahrt durch denBois», schloss er unerwartet.Welchein Aufruhr in meinem Herzen! Ichhatte es erreicht, Jacques interessiertesich für mich! Es war ein schönerFrühlingsmorgen, und ich fuhr alleinmit Jacques um die Seen herum.Ersah mir lachend ins Gesicht: «Hast dugern, wenn man plötzlich bremst?»,859/1746und schon stieß ich fast mit der Nasean die Windschutzscheibe.Man konntealso in unserem Alter noch aus-gelassen wie die Kinder sein! Wirriefen uns unsere erste Jugend in dieErinnerung zurück: Châteauvillain, dieAstronomie für alle, den Vieux Charlesund die Blechbüchsen, die ich für ihnaufsammelte: «Wie ich dich angeführthabe, meine arme Sim!», stellte er er-heitert fest.Ich versuchte auch, instockenden Worten von meinen Schwi-erigkeiten, meinen Problemen zusprechen: Er schüttelte ernst denKopf.Gegen elf Uhr setzte er mich amTennisplatz in der Rue Boulard ab und860/1746zwinkerte mir neckend zu: «Duweißt», sagte er, «man kann durchausin Ordnung sein, wenn man sein Exa-men in Literatur abgelegt hat.» 9 InOrdnung: : Wenn man für ihn zu diesenErwählten gehörte, so war das dieschönste Promotion; etwas war ges-chehen, etwas hatte begonnen.«Ichkomme eben aus dem Bois deBoulogne», kündigte ich stolz meinenKameradinnen an.Ich erzählte so heit-er und so verworren von unserer Auto-fahrt, dass Zaza mich argwöhnischprüfend ansah: «Was ist denn heutefrüh mit Ihnen los?» Ich war glücklich.861/1746Als Jacques in der folgenden Wochean unserer Wohnungstür schellte, war-en meine Eltern nicht da; in solchenFällen pflegte er sonst ein paarMinuten lang mit meiner Schwesterund mir zu scherzen und dann wiederfortzugehen: Diesmal blieb er da.Ersagte uns ein Gedicht von Cocteau aufund gab mir Ratschläge für meine Lek-türe; er zählte eine Reihe von Namenauf, die ich noch nie gehört hatte, undempfahl mir im Besonderen einen Ro-man, der wie ich zu verstehenglaubte Le Grand Môle betitelt war.«Komm doch morgen Nachmittag bei862/1746mir vorbei, ich werde dir Bücher bor-gen», sagte er, als er mich verließ.Elise, das alte Hausfaktotum, nahmmich in Empfang: «Monsieur Jacquesist nicht da, aber er hat in seinem Zim-mer Sachen für Sie bereitgelegt.» Erhatte ein paar Worte auf einen Zettelgekritzelt: 9 Verzeih, meine gute Sim,und nimm deine Bücher mit.: Ich fandauf einem Tisch etwa zehn Bände infrischen Fruchtbonbonfarben: pistazi-engrüne Montherlants, einen himbeer-roten Cocteau, einen zitronengelbenBarrès, verschiedene Claudels undPaul Valérys in scharlachverbrämtemschneeigem Weiß.Durch die863/1746durchsichtigen Umschläge hindurchlas ich immer wieder die Titel: Le Po-tomak, Le Nourritures terrestres,L Annonce faite à Marie, Le Paradis àl Ombre des Epées, Du sang, de la vo-lupté et de la mort.Viele Bücher schonwaren mir durch die Hände gegangen,aber diese gehörten nicht zu derlandläufigen Sorte: Ich erwartete vonihnen außergewöhnliche Offenbar-ungen.Ich war fast erstaunt, als ichsie aufschlug und darin mühelos ver-traute Wörter zu entziffern vermochte.Aber sie enttäuschten mich nicht:Ich war verwirrt, geblendet und en-trückt.Abgesehen von seltenen864/1746Ausnahmen, die ich erwähnt habe,hielt ich literarische Werke für Monu-mente, die ich mit mehr oder wenigerInteresse durchforschte, zuweilen sog-ar bewunderte, die mich selbst jedochin keiner Weise betrafen.Plötzlichsprachen Menschen von Fleisch undBlut unmittelbar zu mir von sich selbstund von mir; sie drückten Bestrebun-gen und Gefühle der Auflehnung aus,die ich mir selbst nicht hatte formu-lieren können, in denen ich jedoch diemeinen wiedererkannte.Ich schöpftenun den Rahm von der BibliothekSainte-Geneviève ab: Ich las Gide,Claudel, Jammes mit heißen Wangen,865/1746pochenden Schläfen und atemlos vorErregung
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